Akhenaten, Egypt’s eccentric “monotheistic” pharaoh of the New Kingdom, 18th Dynasty. (Credit: David Rohl, ©2012)
„Da gebot der Pharao seinem ganzen Volk und sprach: Werft alle Söhne, die [ihnen] geboren werden, in den Nil; aber alle Töchter lasst leben!“ (2. Mose 1:22)
Das letzte Mal berichteten wir über die kürzlich entdeckten Funde einer großen Sklavenarbeiterschaft in der Stadt Amarna, Ägypten, während der 18. Dynastie aus Ägyptens Neuem Reich. Die Untersuchung der Überreste legt nahe, dass die Sklaven brutal unterdrückt worden sind, während man schnell die neue Hauptstadt von Pharao Echnaton errichten wollte. Es ist verständlich, dass einige (einschließlich der Medien-Schlagzeilen) sich dazu haben verleiten lassen, dass wir hier potentielle Belege für die Unterdrückung der israelitischen Sklaven vor ihrem Auszug aus Ägypten unter Mose haben. Es handelt sich sicher um eine bemerkenswerte Entdeckung, aber rechtfertigt sie wirklich, den Schluss zu ziehen, dass dies israelitische Sklaven waren? Wie passen diese Funde mit dem Gesamtbild der Exodus-Debatte zusammen? In dem zweiten Teil dieser Veröffentlichung werden wir den „Patterns-Ansatz“ anwenden, um eine Antwort zu finden. Wie gewöhnlich spielt die Chronologie (die Daten der historischen Ereignisse) dabei eine entscheidende Rolle.
Man datiert die Lebenszeit von Pharao Echnaton (auch: Amenhotep, Achenaton) konventionell auf 1352-1335 v.Chr. Aufgrund einer Menge von Faktoren gibt es viele Versuche, ihn mit der Exodus-Geschichte zu verbinden, sogar schon, bevor man die Funde der Sklaven kürzlich entdeckte. Diese Art und Weise einer Wende zum Monotheismus unter Echnaton ist fast einzigartig. Seine Theologie war wohl, abgesehen von den Hebräern, die einzige, die dem Monotheismus in der Antike nahekam, auf jeden Fall gab es die Verehrung von nur einem Gott nur dieses eine Mal in der Geschichte Ägyptens. Diese ungewöhnliche Wende hat einige Experten zu der Vermutung verleitet, dass Echnaton von Moses Glauben beeinflusst worden ist (das würde heißen, dass der Auszug aus Ägypten erst am Ende von Echnatons Regierungszeit oder später stattfand). Andere sagen, dass seine Wandlung eine Reaktion auf die spektakulären Ereignisse rund um den Auszug waren (was bedeutet, dass der Exodus vor Echnaton stattfand).
Eine der Steintafeln aus der späten 18. Dynastie. (lizenzfrei)
Ein weiterer Hinweis, warum einige Echnaton mit der Zeit des Exodus verbinden, ist die Verwendung der Wörter „Hapiru“ oder „Apiru“, die man in Briefen in Amarna fand. Die Buchstaben sind auf Steintafeln geschrieben und dokumentieren die Korrespondenz zwischen Ägypten und ihren Vasallen in Kanaan, das während eines Großteils der Zeit des Neuen Reiches Teil von Ägyptens Herrschaftsgebiet war. Viele der Briefe aus Kanaan sprechen von dem Ärger mit dem Volk namens „Hapiru”. Viele Experten haben diesen Begriff linguistisch mit dem Namen „Hebrew“/„Hebräer“ verbunden. Echnaton ging nicht sehr auf diese Hilferufe ein. Könnten diese Schwierigkeiten verbunden sein mit der Eroberung der Israeliten, die 40 Jahre nach dem Exodus erfolgte? Hatte Echnatons Zögern, groß zu reagieren, vielleicht seinen Grund darin, dass Ägypten durch die massiven Katastrophen während des Exodus geschwächt war?
Eine weitere Argumentation, die manche aufbringen, ist, dass die Stadt Amarna nach einem arabischen Stamm namens Beni Amran (Die Söhne Amrans) benannt worden sein soll, der in der Gegend wohnte. Der Name „Amran“ ist ganz ähnlich wie „Amram“, der Name von Moses Vater. Waren die Söhne Amrans die Nachkommen von Moses Vater, die Echnaton ehrte, indem er die Stadt nach ihnen benannte?
Diese Argumentationen scheinen Echnaton mit dem Exodus zu verbinden. Doch gibt es ähnliche Argumente für Duzende andere Pharaonen in der Geschichte Ägyptens, die als mögliche Kandidaten genannt wurden. Ganze Bücher wurden darüber geschrieben, warum Ramses II. (nach konventioneller Datierung: 1279-1213 v.Chr.) der Pharao des Exodus war. Die Hauptargumentation ist dabei, dass die Bibel erwähnt, dass die Israeliten die Speicherstadt Ramses bauten. Tutmosis III. Und Amenhotep II. (konventionelle Datierung: um etwa 1450 v.Chr.) sind ebenso beliebte Verdächtige. In 1. Könige 6,1 heißt es, dass der Exodus 480 Jahre vor Salomo stattfand, was ihn in das 15. Jahrhundert v.Chr. setzen würde, lange bevor Ramses oder Echnaton lebten. Andere wiederum legen dar, dass der Exodus aufgrund der Funde während des Endes des Mittleren Reiches und der Mittleren Bronzezeit (konventionell um 1650 v.Chr.) am besten in genau diese Zeit passen würde.
Jede Sicht bringt ein paar Belege vor. Doch wann fand der Exodus wirklich statt – und warum herrscht unter den Gelehrten so viel Skepsis um den Exodus? Hier wenden wir nun den „Patterns-Ansatz“ an. Die meisten dieser Vorschläge ziehen nur zusammenhanglos fragmentarische Belege heran, die vielleicht einzeln eine gute Verbindung zum Exodus herzustellen scheinen, wir brauchen jedoch eine Methode, welche die ganze Abfolge von Ereignissen, die mit dem Exodus zu tun haben, zugrundelegt. Diese Reihenfolge muss dann mit den Ereignissen der Antike abgeglichen werden, um sicherzustellen, dass alle Hauptaspekte noch in der richtigen Reihenfolge stehen und in den richtigen Zeitrahmen eingepasst werden können.
Filmemacher Timothy Mahoney und Kameramann Ramy Romany bei der Produktion von „Patterns of Evidence: Auf der Suche nach den Spuren des Exodus“. (©2014 Patterns of Evidence. LLC)
Der Film „Patterns of Evidence: Auf der Suche nach den Spuren des Exodus“ hat sechs Hauptereignisse der biblischen Reihenfolge herausgearbeitet. Drei davon stechen als wichtige Faktoren besonders hervor, die man am ehesten in der Archäologie dokumentiert sehen müsste, wenn der Exodus wirklich passiert ist. Das Fehlen dieser drei Faktoren in der erwarteten Zeitschicht ist Grund für die skeptische Kritik am Exodus heutzutage. Im Falle Echnatons versagen alle „großen drei“ Faktoren für den Exodus.
1. Es gibt keine Funde dazu, dass während seiner Zeit eine riesige Anzahl von Israeliten oder Sklaven in Ägypten lebte, besonders nicht um die Stadt Avaris/Ramses im Niltal von Goschen. Einige Semiten findet man in allen Perioden, aber um mit dem Bibelbericht übereinzustimmen, müsste man außergewöhnlich viele Funde von einer Vermehrung der Israeliten machen.
2. Es gibt keine Anzeichen, dass es einen großen gesellschaftlichen Zusammenbruch während Echnatons Zeit in Ägypten gab, wie man es durch die Auswirkungen des Exodus erwarten würde. Es gab politischen Aufruhr zur Zeit Echnatons, aber solch dynastische Schwankungen waren nicht selten, und Ägypten selbst blieb während der Zeit des Neuen Reiches relativ wohlhabend. (Siehe Psalm 78,42-52 für eine Kostprobe, was Ägypten während des Exodus erlebte.)
3. Es gibt 40 Jahre später keine Zeichen der Landnahme Kanaans, von der die Bibel berichtet. Um den richtigen historischen Kontext für den Exodus zu finden, muss es in dieser Zeit einige von Mauern umgebene Städte in Kanaan gegeben haben. Viele speziell in der Bibel genannte Städte Kanaans hatten laut Bibel hohe Mauern und wurden während der Eroberung der Israeliten zerstört. Doch während der Zeit Echnatons waren die Städte leere ausgebrannte Ruinen, und das seit über zweihundert Jahren.
Die Zeitmauer zeigt die einzelnen Phasen, von denen die Bibel während der Exodus-Zeit berichtet, auf der mittleren Ebene der Mauer und das entsprechende Belegmuster, das sich in der Archäologie Ägyptens und Kanaans findet auf der oberen und unteren Ebene. Die passenden Funde sind offen sichtbar Jahrhunderte zu früh, um mit dem Exodus zusammenzupassen. (©2017 Patterns of Evidence)
Die einzige Stelle der Zeitleiste, die der gesamten Ereignis-Reihenfolge entspricht, ist nahe des Endes von Ägyptens Mittlerem Reich (nicht dem Neuen Reich). Wenn also diese ganzen Belege aus dieser Zeit auf den Exodus hindeuten, dann passierte der Exodus mindestens ein Jahrhundert vor dem 15. Jahrhundert oder man hat der ägyptischen Geschichte falsche Daten zugeordnet. Viele Argumentationslinien sprechen für die zweite Option.
Es ist sehr wichtig, sich zunächst die Gesamt-Ereigniskette zu vergegenwärtigen, um sich nicht in einem endlosen Gewirr an Details zu verlieren, die vielleicht irgendwie zum Exodus passen, aber in Dutzenden verschiedener Perioden auftreten. Sich auf Details zu fokussieren, ist vergleichbar damit, eine Stadtkarte aufzuschlagen, um einen Weg von einem Ort in der Elm Street zu einer bestimmten Stelle in der Oak Strett zu finden. Nachdem man zunächst dachte, man hätte die gesuchten Straßen gefunden, ist man plötzlich frustriert, weil sich keine Lösung bei der Navigation zum Zielort findet. Doch dann wird einem plötzlich klar, dass man die Stadtkarte einer falschen Stadt aufgeschlagen hat! Man muss sich also erst mal um das große Gesamtbild kümmern, bevor man sich auf die Details konzentriert.
Darum setzte man Sklaventreiber über sie, um sie durch Lasten zu bedrücken; und sie bauten dem Pharao die Vorratsstädte Pitom und Ramses. – 2. Mose 1,11
Wie verhält es sich mit potentiellen Verbindungen des Exodus zu Echnaton? Sklaven (sogar semitische Sklaven) gab es zu vielen Zeiten in Ägyptens Geschichte, deshalb gibt es nichts einzigartig „Israelitisches” an diesen Sklaven aus der späten 18. Dynastie. Einige haben versucht, den Mord an den hebräischen Babyjungen mit diesen Funden zu verbinden, aber das würde nur den Aufschrieb der Bibel uminterpretieren, als ob sie etwas anderes meinte. Es steht jedoch nicht in der Bibel, dass die Ägypter eine Gruppe von Sieben- bis Fünfundzwanzigjährigen absonderten. In der Bibel heißt es, dass die Israeliten die Speicherstädte Pitom und Ramses bauten. Wenn sie auch Amarna (die Hauptstadt Ägyptens) gebaut hätten, hätte dann die Bibel nicht davon berichtet? Um zum Exodus zu passen, müssten diese Funde über Sklaverei in das größere Gesamtbild passen (was sie nicht tun.)
Der Begriff „Hapiru“ findet sich nicht nur in den Tafeln, die man in Amarna fand. Man findet ihn in vielen Dokumenten in verschiedenen Zeiten der Geschichte und in verschiedenen Ländern. Viele Gelehrte sagen, dass er sich auf eine staatenlose Menschengruppe bezog. Vielleicht benutzte man den Begriff für die Hebräer, aber er scheint nicht nur ausschließlich die Hebräer zu meinen. Auch wenn der Bezug auf Hapiru in Amarna für Israeliten galt, könnte es sich ja auch auf die Zeit der Richter oder König in Israel beziehen, statt auf die Zeit der Landnahme.
Auch wenn der Stamm Amarna nach Moses Vater Amram benannt worden war, wie lange hatten sie schon vor dem Bau der Stadt in dieser Gegend gelebt? Wenn der Name aus einer Zeit hunderte Jahre vor Echnaton stammt, dann wären die Hebräer schon lange weggewesen, als Echnaton seine Stadt erbauen ließ. Ohne weitere Informationen nutzt uns dieser Hinweis nicht als Zeit-Indikator. Das gleiche lässt sich über Echnatons Hinwendung zum Monotheismus sagen. Auch wenn er von den Israeliten beeinflusst war, warum muss dieser Einfluss aus der Zeit des Exodus stammen und nicht aus einer späteren Periode aus Israels Geschichte?
Wenn sich David Rohls Theorien bekräfitgen (wie sehr man die Daten für Ägyptens Königreich runtersetzen muss), dann war Echnaton vielleicht sogar ein Zeitgenosse von Israels König David. Das würde erklären, warum Psalm 104, dem man David zuschreibt, so viel Ähnlichkeit mit Echnatons großem Sonnengesang (auch: Großer Sonnenhmynus) hat. Pslam 104,20-30 hat so viel Ähnlichkeit mit Echnatons Hymnus, dass Gelehrte oft behaupteten, dass König David ihn aus Ägypten abgeschrieben habe. Wenn man jedoch die Daten für Ägyptens Neues Reich 300 bis 350 Jahre später ansetzt, könnte es bedeuten, dass die beiden Zeitgenossen waren und der Einfluss umgekehrt verlief. Es gibt weitere Beispiele von Ungereimtheiten, die sich erklären ließen, wenn man Ägyptens Chronologie revidiert. So kann es sein, dass König David vielleicht die Inspiration für Echnatons Wende zum Monotheismus war, nicht der Exodus.
Die Quintessenz von diesen Sklavenfriedhof-Fund, so bemerkenswert er auch ist: Der Patterns-Ansatz zeigt, dass die drei größten und eindeutigsten Indikatoren des Exodus und der Landnahme während der Zeit von Echnaton fehlen. Dasselbe gilt für andere Pharaonen aus dem Neuen Reich. Keine der fragmentarischen Belege aus diesen Zeiten war stark genug, um den Skeptizismus der Topgelehrten weltweit zu erschüttern. Die einzelnen Punkte, die als möglicher Exodus-Link proklamiert werden, sind entweder nicht einmalig genug oder zu wenig beweiskräftig, um der Tatsache zu widersprechen, dass diese Zeitperiode nicht mit der des Exodus zusammenpasst. Sich sofort auf jede mögliche Verbindung zum Exodus zu stürzen, ohne die Chronologie und die Hauptereigniskette im Hinterkopf zu haben, stiftet nur mehr Verwirrung und behindert den Fortschritt in Richtung Anerkennung der wirklichen Belege (die viele Jahrhunderte zuvor existieren), die in dieses Gesamt-Belegmuster passen. Um die wahren Schauplätze des Exodus zu finden, muss man sich zuerst das korrekte Gesamtbild vor Auge führen. Denken Sie weiter!