Zwei seltene Siegel mit hebräischen Inschriften, die auf die Zeit des Tempels Salomos datiert werden, wurden in der Stadt Davids, im Jerusalem Walls National Park entdeckt. Laut den israelischen Behörden für Altertümer sind diese Siegel vor allem aufgrund ihrer Besitzerin so bedeutend. „Man findet nur ganz selten Siegel aus der Zeit des Ersten Tempels mit einer Namensinschrift, und noch seltener geschieht es, dass man ein Siegel einer Frau entdeckt“, erklärten die Ausgrabungsleiter Doron Ben-Ami, Yana Tchekhanovets und Salome Cohen.
Sie trachtet nach einem Acker und erwirbt ihn auch; vom Ertrag ihrer Hände pflanzt sie einen Weinberg an.
– Sprüche 31,16 (SLT)
Stadt Davids
Eines der 2.600 Jahre alten Siegel gehörte einer Frau namens Elihana. Es besteht aus einem Halbedelstein und trägt in antiken hebräischen Buchstaben die Inschrift: „to Elihana bat Gael“ („bat“ bedeutet auf Hebräisch „Tochter“).
Zur Vergrößerung Foto anklicken: Siegel mit der Inschrift „to Elihana Bat Gael“ (Foto: Clara Amit, israelische Behörde für Altertümer)
So alte Inschriften im Besitz jüdischer Frauen gelten als extrem selten. Dr. Hagai Misgav von der Hebrew University in Jerusalem sagt: „Siegel von Frauen stellen nur einen sehr geringen Anteil an allen Siegel dar, die bislang entdeckt wurden. Das liegt unter anderem an dem generell niedrigeren wirtschaftlichen Status von Frauen. Der Name Elihana taucht nicht in der Bibel auf, und uns liegen keinerlei weitere Informationen über die Identität dieser Frau vor, doch allein die Tatsache, dass sie im Besitz eines solchen Siegels war, spricht für ihren hohen sozialen Status. Die Besitzerin dieses Siegels war im Vergleich zu anderen Frauen in der Zeit des Ersten Tempels etwas ganz Außergewöhnliches: Ihr rechtlicher Status erlaubte es ihr, Geschäfte zu machen und Eigentum zu besitzen.“
„Es scheint, dass Elihana ihr Recht auf Eigentum und finanzielle Unabhängigkeit selbst nach der Heirat beibehielt, und sie deshalb noch den Namen ihres Vaters trug. Doch wir verfügen nicht über ausreichende Informationen über die judäischen Gesetze jener Zeit“, erläutert Misgav. „Es kann für einen ziemlich hohen Status von Elihana sprechen, der auf ihre Ursprungsfamilie zurückging und nicht auf die Familie ihres Mannes.“
Auch wenn sich der Name Elihana nicht in der Bibel findet, wurde bereits ein ammonitisches Siegel aus derselben Ära mit dem ähnlichen Namen Eliya gefunden. Eliya ist die weibliche Form des biblischen Namens ‚Eli‘. Elihanas Stellung erinnert an die Beschreibung der tugendhaften Frau in Sprüche 31,10-23, die ihre Familie versorgt und große finanzielle Verantwortung trägt.
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Sie gleicht den Handelsschiffen;
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Aus der Ferne bringt sie ihr Brot herbei.
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Sie trachtet nach einem Acker und erwirbt ihn auch;
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Vom Ertrag ihrer Hände pflanzt sie einen Weinberg an.
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Sie gürtet ihre Lenden mit Kraft
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Und stärkt ihre Arme.
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Ihr Mann ist wohlbekannt in den Toren,
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wenn er unter den Ältesten des Landes sitzt.
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Sie fertigt Hemden und verkauft sie;
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Und liefert dem Händler Gürtel.
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Gebt ihr von den Früchten ihrer Hände,
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Und ihre Werke werden sie rühmen in den Toren!
(Sprüche 31,14.16-17.23-24.31 SLT)
Zur Vergrößerung Foto anklicken: Siegel mit der Inschrift „to Sa’aryahu ben Shabenyahu“ (Foto: Clara Amit, mit freundlicher Genehmigung der israelischen Behörde für Altertümer)
Bei der Ausgrabung wurde noch ein zweites seltenes Siegel gefunden, das einem Mann namens „Sa’arayahu ben Shabenyahu“ gehörte („ben“ bedeutete „Sohn von“), so die Feldforscher vor Ort. Sie weisen darauf hin, dass der Name Sa’arayahu so viel bedeutet wie: „der Herr, der sich im Gewittersturm offenbarte“, eine Anspielung auf Hiob 38,1.
Die zwei Siegel wurden auf dem Parkplatz von Giv’ati innerhalb der Überreste eines prächtigen gemauerten Gebäudes gefunden, das ebenfalls aus der Zeit des Ersten Tempels stammt und möglicherweise in der letzten Phase des Königreichs Juda dessen Verwaltungszentrum war. Die israelischen Behörden für Altertümer sowie die Behörden für Natur und Parks und die Stiftung der Stadt Davids mussten neun Jahre lang graben, um auf die Schicht des antiken Jerusalems aus der Zeit des Ersten Tempels zu stoßen. An diesem Ort wurde auch 2015 das Siegel Hiskias entdeckt.
Zum Vergrößern Foto anklicken: Ausgrabungsstätte im Jerusalem Walls National Park, bei der die Schicht aus der Zeit des Ersten Tempels erreicht ist. (Foto: israelische Behörde für Altertümer)
„Persönliche Siegel wie die von Elihana und Sa’aryahu wurden verwendet, um Dokumente zu signieren und waren oft Teil eines Rings, den der Besitzer trug“, erklärt der Ausgrabungsleiter Dr. Doron Ben-Ami der Hebrew University in Jerusalem. Siegelringe waren Machtsymbole von Herrschern und Beamten. „In der Antike kennzeichneten sie die Identität, die Abstammung und den Status ihres Besitzers.“
Die Archäologen sind gespannt auf weitere Funde, die unser Verständnis des antiken Jerusalems weiter bereichern und herausfordern.