Aber die Söhne Benjamins vertrieben die Jebusiter nicht, die in Jerusalem wohnten; sondern die Jebusiter wohnten bei den Söhnen Benjamins in Jerusalem bis zu diesem Tag.– Richter 1,21

Die zwölfjährige Neshama Spielman hält das ca. 3200 Jahre alte ägyptische Amulett in ihrer Hand. (Photo: City of David / Adina Graham).

Im Teil 1 des Thinker Updates über das in Jerusalem gefundene ägyptische Amulett stand die Entdeckung der damals achtjährigen Neshama Spielmann im Vordergrund. Es dauerte Jahre, bis auf dem Fund vergangenen Monat endlich der Name Thutmosis III., einem der berühmtesten Pharaonen Ägyptens, entschlüsselt wurde. Im zweiten abschließenden Teil werden wir uns auf die Auswirkungen konzentrieren, die dieser Fund auf die Standardansicht über den biblischen Exodus und die Landeroberung Kanaans hat.

Im biblischen Bericht über die israelische Eroberung Kanaans wurde die Stadt Jerusalem Jebus genannt, seine Einwohner Jebusiter. Dieser Fund ist Teil einer Sammlung weiterer Belegstücke, die ein Bild davon präsentieren, wie die politische Situation in Kanaan während eines Großteils der Zeit des ägyptischen Neuen Reiches war – und es scheint nicht gut mit der Erzählung der Bibel übereinzustimmen.

Die verbreitesten Daten, welche Bibelgelehrte für den Exodus ansetzen, sind die so genannte frühe Datierung um 1450 v.Chr. und die so genannte späte Datierung um 1250 v.Chr. Das Problem ist, dass laut ägyptischer Standard-Chronologie diese beiden Optionen den Exodus in eine Zeit platzieren, als die beiden mächtigsten Pharaonen der Geschichte Ägyptens regierten: Thutmosis III. aus der 18. Dynastie und Ramses II. aus der 19. Dynastie.

Die „frühe” („Early Exodus“) und „späte” („Late Exodus“) Datierung des Exodus innerhalb der konventionellen Chronologie von Ägyptens Neuem Reich. Hier klicken für eine Übersicht über die „Zeitmauer“

Die Bibel betont die immense Bestrafung Ägyptens während des Exodus, die ihren Höhepunkt in den zehn Plagen fand sowie in dem Verlust einer riesigen Menge Arbeitssklaven und der ägyptischen Armee bei der Überquerung des Roten Meeres. Mose hielt folgende Abschieds-Rede in 5. Mose 11,4 vor den Israeliten am Jordan 40 Jahre nach dem Exodus, kurz bevor die Landeroberung begann:

… und was er getan hat an der Heeresmacht der Ägypter, an ihren Rossen und Wagen, da er die Wasser des Schilfmeers über sie hinfluten ließ, als sie euch nachjagten, und wie sie der Herr austilgte, bis zu diesem Tag; – 5. Mose 11:4  

Laut dieser Passage hat Ägypten viel mehr als nur einen kurzzeitigen Rückschlag erlitten. Durch den Auszug der Israeliten traf Ägypten stattdessen ein so vernichtender Schlag, dass es mindestens mehrere Jahrzehnte danach am Boden gelegen haben muss. Das zerstörende Gericht über Ägypten ist Teil des fünften Themas, „10 Plagen“, genannt, das im Film Patterns of Evidence: Auf der Suche nach den Spuren des Exodus beschrieben wird.

Weil diese Beschreibung der Gerichte Gottes nicht mit all dem zusammenpasst, was wir über die Zeit wissen, für die die beiden Standard-Exodus-Datierungen angesetzt werden, wird dieser Aspekt des Exodus oft ignoriert oder von Bibelexperten heruntergespielt.

Für beide angenommene Standard-Datierungen des Exodus (1450 und 1250 v.Chr.) während der Zeit des Neuen Reichs, passt es nicht, dass Ägypten durch einen großen Vernichtungsschlag auf die Knie gezwungen wurde. Die archäologischen Funde weisen eindeutig auf nie zuvor dagewesene Macht, Wohlstand und Stabilität hin. Es gibt keinerlei Hinweise auf wirtschaftliche Probleme, Einbußen der Militärmacht oder Verzögerungen beim Voranschreiben mächtiger Bauprojekte – und das in der best-dokumentierten Periode der alten Geschichte Ägyptens. Laut Bibel beginnt die Landnahme Kanaans 40 Jahre nach dem Exodus. Signifikanter Weise wurden während beider Datierungen große Teile Kanaans von Ägypten als Teil des ägyptischen Reiches kontrolliert.

m Film Patterns of Evidence: Auf der Suche nach den Spuren des Exodus wird einiges von der Macht und Stärke zur Zeit Rames II. herausgestellt. Aber es war kein Platz mehr, um darzustellen, dass die Verhältnisse auch während des frühen Exodus-Datums um 1450 v.Chr. fast identisch waren, als Thutmosis III. und seine Nachfolger regierten.

Dr. Gabriel Barkay ist der Direktor des Temple Mount Sifting Project (Tempelberg-Siebungsprojekt), wo Spielman das Amulett des Thutmosis fand. Er hatte folgendes über die Regierungszeit dieses mächtigen Königs zu sagen:

Thutmosis III. war einer der mächtigsten Pharaonen in Ägyptens Neuem Reich. Ihm wird zugeschrieben, mit 17 Militärzügen in Kanaan und Syrien die ägyptische Provinz Kanaan etabliert zu haben, wobei er 1457 v.Chr. eine ganze Koalition von kanaanitischen Königen in der Stadt Megiddo schlug. Thutmosis III. bezeichnete sich selbst als derjenige, „der tausend Städte unterwarf“, und es ist bekannt, dass während des späten Bronzezeitalters Kanaan und der Stadtstaat Jerusalem unter ägyptischer Herrschaft standen, was auch die Anwesenheit dieses Amuletts in Jerusalem leicht erklärt.

Dr. Gabriel Barkay, der Mitbegründer und Direktor des Temple Mount Sifting Project.

Die Verhältnisse waren während der Zeit von Thutmosis III. und Ramses II. also nicht nur gut, die Dinge liefen auch in Kanaan für Ägypten gut, das Gegenteil von dem, was man erwarten würde, wenn man die Beschreibungen im Buch Josua darüber liest, wie die Israeliten ohne weiteres viele der Städte Kanaans besiegten, ohne dass Ägypter erwähnt werden. Dies ist ein Hauptgesichtspunkt, warum die Mainstream-Archäologie so skeptisch gegenüber dem Exodus-Bericht der Bibel ist. Während Ägypten durch den Exodus im Niedergang begriffen sein müsste, zeigt die Archäologie stattdessen eine große Blütezeit an. In der Zeit, in der die Städte Kanaans angeblich laut dem Buch Josua von den Israeliten eingenommen wurden, zeigt die Archäologie dass viele Städte leere ausgebrannte Ruinen waren (und das seit mehr als einem Jahrhundert). Es gab keine hohen Mauern mehr und fast keine Einwohner. Darüber hinaus war ein Großteil der Region von Ägypten beherrscht.

Einige Verfechter des frühen Exodus-Datums (um 1450 v.Chr) schlagen vor, dass der Nachfolger von Thutmosis III, also sein Sohn Amenhotep II., eine mögliche Option für den Pharao des Exodus ist. Sie weisen auf eine Abnahme von militärischer Aktivität während seiner Regierungszeit hin sowie auf einen Sklaven-Raubzug, bei dem er mehr als 100.000 Sklaven nach Ägypten brachte, was auf Probleme in Ägypten hinweisen kann und den Bedarf, die Arbeitskraft von Sklaven, die durch den Auszug der Israeliten aus Ägypten verloren gegangen war, zu ersetzen. Andererseits war auch nur wenig militärische Aktivität nach der Zeit Thutmosis III. nötig, da er bereits alle Nachbarn Ägyptens unterworfen hatte.

Friedliche und stabile Zeit sind ein Zeichen der Macht, nicht der Schwäche. Die größte Sklavenmenge in Ägyptens Geschichte zusammenzusuchen, wäre eigentlich das Gegenteil von dem, was man von einem vernichteten Ägypten erwarten würde, dessen Armee auf dem Boden des Schilfmeeres liegt. Die einzige Möglichkeit, an diese Sicht festzuhalten, wäre es, die Heftigkeit der zehn Plagen und der weiteren Gerichte Gottes, welche die Bibel als so verheerend beschreibt, herunterzuspielen.

Ein weiterer Blick auf all die Funde und Belege während der hundertjährigen Herrscherperiode von Thutmosis III. und den nachfolgenden drei Generationen auf seinem Thron, zeigt, dass diese Zeit nicht gut mit den Gerichten Gottes über Ägypten zusammenpasst:

Thutmosis III.

(1479–1425 v.Chr.)

„Der Napoleon von Ägypten”: Mit 17 Feldzügen etablierte er Ägyptens Großimperium, welches sich vom Euphrat im Norden Nubiens bis in den Süden erstreckte und sowohl Kanaan und die meisten Teile Syriens einschloss. Unter seiner Herrschaft entstanden auch viele Bauprojekte, er ließ über 50 Tempel erstellen.

Amenhotep II.
(auch: Amenophis genannt)

(1425–1398 v.Chr.)

Thutmosis IV.

(1398–1388 v.Chr.)

Diese beiden Pharaonen erhielten das große Imperium aufrecht, das Thutmosis III. etabliert hatte, ohne dass sie viel mit Ägyptens Rivalen, wie dem Staat Mitanni (in Nordyrien), der in den nördlichen Regionen nach Kontrolle strebte, kämpfen mussten. Während ihrer Herrschaftszeit erhielten sie Tributzahlungen von ausländischen Nachbarstaaten, und es herrschte weitesgehend Frieden. Bauprojekte wurden in großem Maße vorangetrieben (einschließlich der Restauration der Sphinx), ohne dass es Anzeichen für größere Probleme in Ägypten oder seinem Imperium gab.

Amenhotep III.
(auch: Amenophis genannt)

(1388–1350 v.Chr.)

Ägyptologen geben ihm oft den Titel „der Große” oder „Prunkvolle“ (The Magnificent), weil Ägypten unter ihm den Zenit seiner Blüte, Kunst und internationalen Macht erreichte. Er ist dadurch ausgezeichnet, dass von ihm mehr Statuen überlebt haben (mehr als 250), als von jedem anderen Pharao; viele dieser Statuen waren riesig. Eine ausgeprägte Bauaktivität definierte seine Regierungszeit – einschließlich des größten Tempels seiner Tage: Theben. Nur wenig Militäraktionen waren notwendig, um Ägyptens Einfluss über ausländische Rivalen aufrecht zu erhalten.

So war Ägypten also zur Zeit von Thutmosis III. im Jahr 1450 v.Chr. und die folgenden 100 Jahre auf dem Höhepunkt seiner Macht. Das ist das Gegenteil von dem, was man erwarten würde, wenn der Exodus in der Weise geschah, wie die Bibel ihn beschreibt.

Zusätzlich sind die Gerichte Gottes über Ägypten und die Landnahme nur der Beginn der Probleme mit den Daten des Exodus während der Zeit des Neuen Reiches. Die weiteren Stationen, von denen die Bibel berichtet, sind ebenso wichtig. Um den Exodus korrekt in der Geschichte einzubetten, muss das große Bild der Archäologie, die man in Ägypten und in Kanaan findet, mit allen wichtigen Ereignissen in der Bibel übereinstimmen. Wie in dem Film Patterns of Evidence herausgestellt, gibt es bei den meisten dieser Ereignisse während des Neuen Reiches große Probleme. Es gibt jedoch ein überzeugendes Belegmuster aus einer früheren Zeit Ägyptens, das mit allen sechs wichtigen in der Bibel beschriebenen Stationen übereinstimmt. Dies findet sich am Ende des Mittleren Reiches (Mittlere Bronzezeit), etwa 200 Jahre früher als das angenommene frühe Datum des Exodus unter Thutmosis.

Es gibt mindestens ein Dutzend verschiedene Ansichten über den Exodus, und alle diese Sichten können mit ein paar Belegen unterstützt werden – aber diese sind bruchstückhaft. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden zu überlegen, welches die sechs wichtigen Hauptstationen in der Reihenfolge der beschriebenen biblischen Ereignisse sind, um nach einer Zeit zu suchen, in der sich starke Belege für alle diese sechs Stationen finden.

Ein starkes Belegmuster für alle sechs Stationen des biblischen Exodus findet sich früher, nämlich im Mittleren Reich (Middle Kingdom), aber nicht im Neuen Reich (New Kingdom).  Click here for an overview of the Wall of Time.

Die Entdeckung des Amuletts von Thutmosis III. hilft, die Probleme zu analysieren, die daraus entstehen, wenn man den Exodus zur Zeit dieses Pharaos ansetzt. Wenn das frühere Belegmuster aus der Zeit des Mittleren Reiches kein Zufall ist, dann kann die Erklärung nur sein, dass der Exodus eigentlich lange vor 1450 v.Chr. stattfand, oder dass die allgemeine Ansicht von Ägyptens Chronologie falsch ist (was bedeutet, man müsste die Daten, die dem Ende des Mittleren Reiches zugeordnet werden, revidieren und sie bis 1450 v.Chr. hochsetzen) – oder eine Kombination von beidem. Die erstaunlichen Belege, die sich in dieser frühen Zeitperiode finden, sind dokumentiert im Film Patterns of Evidence: Auf der Suche nach den Spuren des Eoxodus. Das Thema wird in weiteren Filmen sowie in den Thinker Updates weiter erforscht.

Übersetzung: Bettina Hahne-Waldscheck